Scholz findet IGH Forderung "eklig"
Der IGH forderte in seinem Rechtsgutachten zur illegalen Besatzung Palästinas, dass Produkte aus besetzem Land nicht gehandelt werden dürfen. Scholz weist diese Forderung scharf zurück
Am Mittwoch fand die Sommerpressekonferenz des Bundeskanzlers1 in der Bundespressekonferenz statt. Während sich der Großteil der Fragen um Kanzlerkandidaturen, Biden und Harris drehte, stachen drei Fragen zum Rechtsgutachten des IGHs vom Freitag hervor.
“Wir handeln indem wir sprechen”
Die erste Frage von Pauline Jäckels drehte sich um Konsequenzen für die deutsche Politik allgemein. Die Antwort des Bundeskanzlers fasst die grundlegende Haltung und auch ständige Antwort Bundesregierung zu Israel zusammen.
Wir handeln unter anderem, indem wir sprechen und unsere Positionen sehr klar und deutlich formulieren – öffentlich genauso wie hinter verschlossenen Türen. Das ist ja ganz wichtig. Das, was ich hier sage, sage ich auch öffentlich in Israel. Das habe ich auch gemacht und dort sehr klar formuliert. Dieser Politik werden wir auch weiter folgen. Entlang dieser Maßgaben, die ich eben beschrieben habe, werden wir auch in Zukunft unsere Politik ausrichten.
-Bundeskanzler Olaf Scholz
Eine Grundlegende Änderung, etwa indem man Waffenlieferungen grundsätzlich einstellt, finanzielle Hilfen an Israel stoppt oder gar Sanktionen gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher ausspricht, wird es mit Scholz weiterhin nicht geben. Es bleibt bei Lippenbekenntnissen, wie auch die Fragstellerin Pauline Jäckels (nd.aktuell) schon in ihrer Frage formulierte.2
“Haben wir und werden wir”
Scholz bestätigt, dass Deutschland weiter Waffen an Israel liefern wird, sofern die “Einzelfallprüfung” erfolgreich war. Diese Antwort gab Scholz verklausuliert auf die Frage von Stephan Detjen (Deutschlandradio)
Konkret: Wird die Bundesregierung im Licht dieses Gutachtens und im Schatten des Krieges in Gaza weiterhin Waffen wie im letzten Jahr, unter anderem Munition, Panzerabwehrwaffen, an Israel liefern?
Nach etwas hin und her, indem Scholz die Einzelfallprüfung betonte, und auch dass nicht immer alles geliefert worden sei, folgte die klare Antwort:
Wir haben nicht entschieden, dass wir keine Waffen liefern. Also werden wir und haben wir.
Die Formulierung “Also werden wir und haben wir.” macht dabei deutlich, dass es der Bundesregierung nicht nur um eine grundsätzliche Möglichkeit zu gehen scheint, sondern ein klares Signal an die Regierung Netanyahus und die Regierung in Washington gesendet werden soll. Deutschland wird weiter Waffen an Israel liefern, unabhängig davon, welche Bewertung internationale Gerichte oder andere Institutionen vornehmen.
“Ehrlicherweise finde ich solche Forderungen auch eklig.”
Die schärfste und deutlichste Aussage dazu, wie Deutschland auf das Rechtsgutachten des IGHs reagiert, zeigt sich in der Frage um Sanktionen gegen Güter, die illegalerweise in besetzten Gebieten produziert, oder als Bodenschätze und landwirtschaftliche Erzeugnisse geraubt werden. Das Gutachten des IGH fordert alle UN Mitgliedsstaaten dazu auf, den Handel mit diesem Raubgut zu verhindern. konkret heißt es dazu im IGH-Gutachten3 unter Punkt 278:
[…] The Court considers that the duty of distinguishing dealings with Israel between its own territory and the Occupied Palestinian Territory encompasses, inter alia, the obligation to abstain from treaty relations with Israel in all cases in which it purports to act on behalf of the Occupied Palestinian Territory or a part thereof on matters concerning the Occupied Palestinian Territory or a part of its territory; to abstain from entering into economic or trade dealings with Israel concerning the Occupied Palestinian Territory or parts thereof which may entrench its unlawful presence in the territory; to abstain, in the establishment and maintenance of diplomatic missions in Israel, from any recognition of its illegal presence in the Occupied Palestinian Territory; and to take steps to prevent trade or investment relations that assist in the maintenance of the illegal situation created by Israel in the Occupied Palestinian Territory
Auf diesen Punkt bezieht sich Hans Jessen (freier Journalist) in seiner Frage:
Das Gutachten, das eben doch eine Rechtsauffassung zum Ausdruck bringt, formuliert Erwartungen an dritte Staaten, zu denen auch Deutschland gehört. Diese hätten alles zu unterlassen, was die israelische widerrechtliche Politik auf der Westbank unterstützt, und explizit auch Handel zu unterbinden, der mit Produkten und Bodenschätzen der Westbank betrieben wird. Was tut Deutschland da konkret und zum Beispiel über die bestehende Kennzeichnungspflicht von in der Westbank erzeugten Produkten hinaus, um dieser Rechtsauffassung und Erwartung des IGH gerecht zu werden?
In seiner Antwort wird Bundeskanzler Scholz daraufhin sehr deutlich:
Eine von mir geführte Regierung wird keinen Boykott von Gütern, Dienstleistungen und Waren aus Israel unterstützen. Ehrlicherweise finde ich solche Forderungen auch eklig.
Diese Antwort des Bundeskanzlers kann nur im Kontext der Frage und der Bewertung des IGHs verstanden werden. Die Erwartungen des IGHs, die illegale Besatzug nicht wirtschaftlich zu zementieren, wird als “eklig” zurückgeweisen. Die im IGH-Urteil explizit gefordertze Unterscheidung zwischen Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten wird von Scholz bewusst ignoriert.
Es bleibt die Erkenntniss, dass Deutschland weiter israelische Besatzungs- und Annektionspolitik unterstützen wird. Deutsche Waffen werden weiter zur Durchsetzung eines illegalen Besatzungsregimes geliefert werden. Raubgüter werden weiter in Deutschland gehandelt. Und diplomatische Konsequenzen, die tatsächlich die Bedingungen für eine Zweistaatenlösung schaffen könnten, werden weiter ausbleiben, so zumindest die Politik der Ampel-Regierung
youtube.com/watch?v=67hWZfs7aQ4
https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/kanzler-sommer-pressekonferenz-2024-2300722
https://www.icj-cij.org/sites/default/files/case-related/186/186-20240719-adv-01-00-en.pdf