DNC Proteste: taz fällt auf rechtsextreme Trolle herein
Die taz sieht beim DNC Kongress in Chigaco eine Hisbollah-Flagge als Teil des pro-palästinensischen Protestes. Wer genauer hinschaut sieht, dass die Träger rechtsextreme Trolle sind.
In einem Kommentar des taz Redakteurs Nicholas Potter ist Skandalöses zu lesen. Über pro-palästinensischen Proteste während des Kongresses der US Demokraten entrüstet er sich mit den Worten:
Wer die Gaza-Proteste vor dem demokratischen Parteitag in Chicago diese Woche begrüßt oder als „willkommene Konsensstörung“ beschreibt, verharmlost eine antiisraelische Bewegung, die sich seit dem 7. Oktober zunehmend vom demokratischen Diskurs verabschiedet.
Auf den Demos in Chicago zu sehen: Flaggen der Hisbollah, des Irans oder Samidoun – Gruppen und Staaten, die direkt oder indirekt am Terror gegen israelische Zivilist*innen beteiligt sind. Am Dienstag verbrannte ein vermummter Demonstrant eine Israel-US-Mischflagge. Auf Transparenten steht neben einer Kalaschnikow „Bring the war home“ oder „Shut down the DNC for Gaza“.
Für Nicholas Potter ist damit klar: Die Flagge ist Teil der propalästinensischen Proteste. Die Protestierenden verherrlichen für Potter offenbar die von Deutschland und zahlreichen internationalen Partnern als Terrororganisation eingestufte Hisbollah. Die Hisbollah ist einer der Hauptfeinde Israels in der Region. Als shiitische Miliz hat sie Verbindungen zur Regierung in Iran. Das Raktenarsenal der Hisbollah soll rund 150.000 Rakten umfassen, viele von Iran geliefert, wie die Tagesschau berichtet.1 Zuletzt hatte die Hisbollah “Vergeltung” angekündigt, nachdem israelische Luftschläge Teile der Hisbollah-Führung in Beirut getötet haben.2
Expertenurteil?
Von der taz wird der Kommentator Nicholas Potter mit den folgenden Worten beworben:
Nicholas Potter ist Redakteur bei taz zwei. Der britische Journalist schreibt über Medien und Gesellschaft, Neonazis und Nahost, Antisemitismus und Rassismus. Er ist Herausgeber des Buches "Judenhass Underground: Antisemitismus in emanzipatorischen Subkulturen und Bewegungen", 2023 im Verlag Hentrich & Hentrich erschienen. Er studierte in London und Berlin.3
Mit dieser schwergewichtigen Expertise fällt Potter auch ein entsprechend hartes Urteil über die Proteste:
Die Botschaft ist klar: Es geht nicht um Dialog, es geht um eine infantile Intifada-Inszenierung, die ausgerechnet den demokratischen Parteitag zum Desaster machen will – in einem Wahlkampfjahr, das womöglich die Zukunft der US-amerikanischen Demokratie entscheiden wird.4
Infantile Inszenierung?
“Infantile Inszenierung” Mit diesen Worten urteilt Potter die pro-palästinensischen Demonstrationen ab. Doch wenn man sich die Mühe macht “DNC protest hezbollah flag” in eine Suchmaschine einzugeben, fallen zwei Dinge auf.
Erstens fallen die Videos “Hezbollah and American Flag at Protests outside Delegate Entrance DNC” und “Nazbol, American and Hezbollah Flags flown by a group outside of the DNC Chicago (August 22 2024)” auf.
Zweitens wird dieser Skandal offenbar von keinem seriößen Medium aufgegriffen. Am ehesten findet sich noch eine Erwähnung in einem Nebensatz der konservativ-liberalen Jerusalem Post, jedoch ohne Bilder der behaupteten Szenen.5
Psyop within a Psyop
Als mögliche Primärquelle sind die beiden Videos bekannt. Die Abwesenheit seriößer Berichterstattung über Hisbollah-Flaggen als Teil der pro-palästinensischen Demonstrationen legt es nahe, sich diese Quelle anzuschauen.
Das erste Video ist ein Zusammenschnitt des längeren zweiten Videos. Es beginnt mit einem Schwarzen Mann, der eine US Fahne hält und die propalästinensischen Demonstranten als “N***er” beschimpft, die sich lieber um die USA kümmern sollten. kurze Zeit später läuft der Mann mit Hisbollah-Flagge durchs Bild. Einer der Organisatoren des Protests beschimpft ihn als “State Agent” und erklärt, dass die Flagge nicht Teil der Demonstration ist. Kurze Zeit später rennt eine Person mit lila Haaren ihrem Hund durch die Demo hinterher.
Im längeren Video Nazbol, American and Hezbollah Flags flown by a group outside of the DNC Chicago wird die Gruppe Trolle interviewt. Das Video beginnt mit einer jungen Person die allein mit einer Flagge auf und ab läuft.
Optisch erinnert diese Flagge an die Hakenkreuzflagge des Dritten Reiches. Anstelle des Hakenkreuzes im weißen Grund ist jedoch ein Hammer mit einer Sichel gekreuzt. Im Interview erklärt die Person, dass es sich um die "Nazbol"-Flagge handele. Weiter erklärt die Person, dass sie nicht Teil dieser Ideologie sei. es sei eine "Meme-ideology".
Im Anschluss an diese Szene ist im Video ein junger Mann mit der Fahne zu sehen, in Begleitung einer Person mit lila Haaren. "Nazbol gang" ist zu hören. Die Person mit lila Haaren ist anschließend zu sehen, wie sie in ein Megafon schreit "you will find King David at the end of the rainbow!"
A Psyop within a Psyop. You have to put the four Psyops in, or else it does not make sense. […] We can have no more of these Democratic dingleberries in offices, DDs. We can not have anymore of these fools in office, defending child trafficking, defending the Epsteins, defending the Clintons
Nach dieser Rede, die auf klassische rechtsextreme Verschwörungstheorien wie Pizzagate anspielt, ist der Schwarze Mann zu sehen, der im kürzeren Video die propalästinensischen Demonstranten als "N***er" beleidigt. Er wird von Polizisten vom Platz begleitet.
Schließlich endet das Video nach weiteren Interviews mit kruden Theorien und Aussagen der rechtsextremen Trollgruppe mit der Szene mit Hisbollahflagge. Der Träger war bereits zuvor als Teil der Gruppe zu sehen, u.a. mit der "Nazbol" Flagge. Schließlich ist er neben Schildern zu sehen wie "Abortion is murder" und "Homo Sex is a sin".
ADL identifiziert Flaggenträger als rechtsextremen Shandon Simpson
Der Vizepräsident der amerikanischen “Anti Defamation League” (ADL) Oren Segal identifiziert auf Twitter (X) den Träger der Hisbollah-Flagge als bekannten “white supremacist”. Die ADL steht der israelischen Lobbygruppe AIPAC nahe, und ihre Antisemitismusdefinition ist umstritten, da diese Antizionismus weitestgehend mit Antisemitismus gleichsetzt.6 Die ADL ist pro-palästinensischen Protesten mit Sicherheit nicht freundlich gesinnt.
Eine weitere Behauptung des taz Redakteurs Potter ist, dass auch Iran-Flaggen zu sehen waren. Der einzige Hinweis dazu findet sich in einem Tweet des “Combat Antisemitism Movement”s Dort sind die Hisbollah-Flagge und eine iranische Flagge nebeneinander zu sehen. Vergleicht man die Szenen fällt auf, dass der Fahnenstange und die Art der Befestigung zu der Fahne des rechtsextremen Shandon Simpson passen. Auch die Gebäude im Hintergrund passen zu dem Bild von Oren Segal und die Tageszeit ist ähnlich, wie am Sonnenstand erkennbar ist. Der Tweet von “Combat Antisemitism Movement” hat jedoch deutlich weniger Views als der von Oren Segal.
Infantile Inszenierung
Wer sich diese knapp 10 Minuten Video angesehen hat, der muss erkennen, dass es sich um rechtsextreme Trolle handelt. Die rechtsextremen Trolle versuchen die pro-palästinensischen Proteste zu stören und deren Teilnehmden zu provozieren. Die rechtsextremen Trolle werden zweitweise von der Polizei aus dem Bereich der Demonstration entfernt.
Potter und der Redaktion der taz gelang es nicht, rechtsextreme Trolle um einen bekannten Rechtsextremen vor der Veröffentlichung zu identifizieren. Ob sie an der einfachen journalistischen Arbeit scheiterten, sich öffentlich verfügbare Videos und Tweets anzusehen, oder ob Potter sich selbst zum Teil der “infantilen Inszenierung” der rechtsextremen Trolle machte, wird nur er selbst wissen.
Der Glaubwürdigkeit anderer Artikel, etwa wenn er über pro-palästinensische Demonstrationen in Berlin schreibt, hilft es sicher nicht.
Einige der von Potter behaupteten Szenen haben tatsächlich stattgefunden, etwa das Verbrennen einer Flagge.7 Auch Symbole des “Solidaritätsnetzwerk für palästinensische Gefangene - Samidoun” waren zu sehen. Samidoun ist in Deutschland seit Anfang November verboten, weil es die Angriffe der Hamas auf israelische Zivilisten am 07. Oktober glorifiziert hat. Als Terrororganisation wurde Samidoun nicht eingestuft.8 Vielleicht wurde für diese Informationen seitens der taz sauberer recherchiert.
https://www.tagesschau.de/ausland/waffenarsenal-hisbollah-100.html
https://www.deutschlandfunk.de/hisbollah-chef-kuendigt-vergeltung-an-106.html
https://taz.de/Nicholas-Potter/!a28487/
https://taz.de/Antisemitismus-bei-US-Gaza-Protesten/!6031879/
https://archive.ph/Qoctw
https://www.jpost.com/american-politics/article-815944
https://en.wikipedia.org/wiki/Anti-Defamation_League#Reception_and_controversies
https://www.cbsnews.com/chicago/news/protest-israeli-consulate-dnc/
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2023/11/vereinsverbot-hamas-samidoun.html