Wie die TUM und LMU bei der Entwicklung Israelischer Waffen beteiligt sind und warum akademischer Boycott völkerrechtlich geboten ist.
Ein Überblick des Berichts der Academics for Justice München
Die Initiative “Academics for Justice”1 beschreibt sich selbst als:
We are the Academic community of Munich. Scholars, students, medical doctors, employees of Munich research institutions and universities. And we demand our institutions to uphold international law principles and commit to human rights.
Am 17.11.2024 veröffentlichte sie einen 51 seitigen Bericht nebst Aufforderung an die Technische Universität München (TUM) und die Ludwig-Maximilian-Universität (LMU), sich an internationales Recht zu halten und Menschenrechte zu schützen.2 Die Zusammenarbeit mit israelischen Waffenherstellern stehe dazu im Widerspruch. Weiterhin fordert die Initiative, die Zusammenarbeit mit allen israelishcen Universitäten und Institutionen zu suspendieren, bis deren Aktivitäten auf mögliche Verstöße gegen internationales Recht untersucht wurden. Diese Untersuchung müsse “Fall für Fall” vorgenommen werden und es müssen aus Sicht der Initiative alle laufenden und vergangenen militärischen Forschungsprojekt mit israelischen Univsersitäten, Institutionen und Unternehmen offengelegt werden.
Akademischer Boycott ist völkerrechtlich geboten
Der Bericht der Iniative bezieht sich auf die Zusammenfassung der “Advisory opinion” des Internationalen Gerichtshofs (IGH) bzgl. der Konsequenzen aus Isarels Handeln in besetztem palästinensischem Gebiet und der Illegalität der anhaltenden israelischen Besatzung palästinensischen Gebiets, wie sie in der UN Generalversammlung zusammengefasst wurde.3 Die Rechtsauffassung des IGHs, insbesondere die Forderung des IGH, die illegale Besatzung nicht weiter zu unterstützen, wurde von der deutschen Bundesregierung scharf zurückgewiesen.
all states are called upon complying with their obligations under international law not to render aid or assistance in maintaining the situation created by Israel’s illegal presence in the (cf. Occupied Palestinian) Territory, including by taking steps towards ceasing the importation of any products originating in the Israeli settlements, as well as the provision or transfer of arms, munitions and related equipment that may be used in the Territory.4
Die Iniative Academics for Justice folgert, dass dies auch Wissenschaft- und Forschung umfasst, die zur Entwicklung und Herstellung von Rüstungstechnik genutzt wird.
Aus den völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands als UN Mitgliedststaat ergibt sich die Pflicht, sich an das Völkerrecht zu halten. Als öffentliche Institutionen, umfasst dies auch die TUM und LMU. Neben der Entwicklung von Rüstungstechnik brechen die TUM und LMU laut dem Report auch direkt internationales Recht, indem sie Austauschprogramme mit israelischen Universitäten in illegal besetzte Gebiete anbieten.
Cornetto Projekt
Als erstes Beispiel für eine völkerrechtswidrige Kooperation bei der Entwicklung von Rüstungstechnik führt der Bericht von Academics for Justice das sog. “Cornetto Projekt” mit der Technion University an. Die Technion University hat beste Beziehungen zu israelischen Waffenherstellern wie Elbit Systems und der staatlichen israelischen Rafael Advanced Defense Systems und unterhält ein eigenes Militärinstitut.5
Bei dem Cornetto Projekt handelt es sich um eine wiederverwendbare Raketenplattform, um Steuerungssysteme zu erproben. Laut der Technion Universität soll die Rakete die Anforderung erfüllen “in die von der TUM Universität entwickelte Abschussvorrichtung zu passen”6
Austauschprojekt zum Bau eines Drohnenbootes
Der Bericht führt für die Zusammenarbeit mit der Tel Aviv University ein Austauschprojekt für TUM Studierende an. In dem von Rafael Advanced Defense Systems finanzierten Programm können TUM Studierende bei der Entwicklung eines “Autonomen Bootes” mitarbeiten. Das Programm wird weiterhin von “Mentoren” aus Rafael Advanced Defense System mit Verbindungen zur israelischen Luftwaffe und Elbit Systems unterstützt. Das Austauschprogramme wurde im Sommer beworben und soll im November 2024 begonnen haben.7
Auch unabhängig von militärischer Forschung unterhält die TUM problematische Verbindungen zur Tel Aviv University. So arbeitet die TUM zusammen im Feld der “Middle Eastern Studies”. Der Direktor des zugehörigen Instititutes an der Tel Aviv University Uzi Rabi hatte im September zum Völkermord und ethnischen Säuberung im Norden Gazas aufgerufen.8
Schließlich erhielt der Präsident der LMU von der Tel Aviv University in 2022 die Ehrendoktorwürde für die Ausweitung der “strategischen Kooperation” zwischen LMU und Tel Aviv University.9 Die engen Verbindungen zwischen Tel Aviv University und israelischem Militär und Rüstungsfirmen dürften zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gewesen sein. Die berüchtigte “Dahiya Doktrin” der unverhältnismäßigen Zerstörung ziviler Infrastruktur und Ermordung von Zivilisten zur Erreichung von Kriegszielen wurden ebenfalls am Institut für Nationale Sicherheits Studien (INSS) der Tel Aviv University entwickelt und bereits 2008 veröffentlicht.10
Partnerschaft mit Ben-Gurion Universität
Die LMU unterhält eine Partnerschaft nebst Austauschprogramm mit der Ben-Gurion Universität. Diese folgte einer Städtepartnerschaft zwischen München und Beer Sheva. Mitarbeiter der LMU erklärten in einem Interview, dass man auch im Bereich der Geisteswissenschaften, insb. vom Wissen der Ben-Gurion Universität über Zionismus und der politischen Figur Ben-Gurions profitieren könne.11 Als “Gründungsvater” des Staates Israel trieb er die Vertreibung der Palästinenser während der Nakba voran, der ca. 750.000 Menschen zum Opfer fielen.
Auch die Ben-Gurion University unterhält enge Verbindungen mit der israelischen Armee, Rafael und Elbit Systems. Besonders hervorzuheben ist die Beteiligung der Universität an den KI Systemen “Lavender” und “The Gospel”, die zur Auswahl von Tötungszielen in Gaza eingesetzt werden. Die TUM arbeitet mit der Ben-Gurion University u.a. im Bereich der IT-Sicherheit zusammen.12
Austauschbesatzer für ein Semester
Die TUM ist eine Partneruniversität der Hebrew University Jerusalem. Sowohl die TUM als auch die LMU unterhlaten Austauschprogramme mit der Hebrew University. Der Campus der Hebrew University ist zum Teil auf illegal besetztem Gebiet gebaut. Dies umfasst auch die Studentenwohnheime, sodass Austauschstudierende regelmäßig selbst zu illegalen Besatzern werden, indem sie ihre persönlichen Räume während des Austausch auf besetztes Gebiet verlegen. Diese Form der Beteiligung an der illegalen Besetzung durch öffentliche deutsche Einrichtungen steht im Widerspruch zur Forderung der Bundesregierung, Israel müsse seine Siedlungsaktivitäten beenden. Weiterhin wirbt die Hebrew University damit, sich an der Offensive in Gaza beteiligt zu haben, indem sie Logistikausrüstung für die israelische Armee bereitstellte.13
Der “ehrenwerte Yoav Galant”
Als letztes Beispiel führt der Bericht die Zusammenarbeit mit der Reichman University an. Die Reichman University ist eine Partneruniversität der LMU. Die Reichman University hält regelmäßig Konfernezen für die israelische Armee und lobt deren Führung. Als Reaktion auf den Antrag von Haftbefehlen gegen Yoav Gallant am Internationalen Strafgerichtshof bezeichnet das “Institute for Counter-Terrorism” der Universität sein Mitglied Yoav Gallant als “Ehrenwerten Yoav Gallant”. Die Bezeichnung wird auch nach der Ausstellung der Haftbefehle des internationalen Strafgerichtshofes weiter verwendet.14
Die Reichmann University veranstaltet regelmäßig die sog. Herzliya Konferenz für Staatssicherheit und Politik, an der zahlreiche israelische Politiker und Militärs teilnehmen. Im Jahr 2024 nahm auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock an der Konferenz teil.15
Positive Beispiele und Herausforderungen
Der Bericht schließt mit einer Auflistung diverser europäischer Universitäten, die ihre Zusammenarbeit mit israelischen Universitäten und Institutionen beendet haben oder entsprechende Schritte überlegen.16
Diesen Beispielen zu folgen, ist nicht nur die rechtliche Pflicht der TUM und LMU, sondern sämtlicher deutscher Universitäten. Auch Universitäten wie die “Freie” Universität in Berlin unterhalten Partnerschaften mit israelischen Universitäten, die an Völkerrechtsverbrechen beteiligt sind.
Durch die enge Verzahnung mit dem israelischen Militär, der israelischen Regierung und den zivilen Teilen der illegalen Besatzung kann für keine israelische Universität ausgeschlossen werden, dass diese an Völkerrechtsverbrechen beteiligt sind und eine Kooperation entsprechend deutsche Universitäten zu Mittätern macht. Eine umfassende Untersuchung jedes Einzelfalls ist notwendig, um sicherzustellen, dass Forschungsergebnisse auch nicht über Umwege militärische Verwendung finden.
https://www.academicsforjustice.com/about
https://www.academicsforjustice.com/reports/nov_18_2024.pdf
https://documents.un.org/doc/undoc/ltd/n24/264/25/pdf/n2426425.pdf
Für eine umfassende Beschreibung siehe Abschnitt VII-B und VII-C der vollen Advisory Opinion https://www.icj-cij.org/sites/default/files/case-related/186/186-20240719-adv-01-00-en.pdf
Seite 15-19 im Bericht
Seite 20 im Bericht, Quellverweis: https://archive.ph/PzQCE
Seite 29-30
https://www.972mag.com/northern-gaza-liquidation-scenario-eiland-rabi/
Seite 34 im Bericht
Seite 24-30 im Bericht zu Tel Aviv University allgemein, Quelle zur Dahiya Doktrin https://archive.ph/KJxXB
Seite 39 im Bericht, Quellverweis: https://archive.ph/w8S7M
Seite 36-40 im Bericht
Seite 41-45 im Bericht
Seite 46-48 im Bericht, Quellverweis https://archive.ph/Bevze
https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/herzliya-sicherheitskonferenz/2664736
Seite 49-51 im Bericht